01. August 2025

Was tun, wenn das Unternehmen strauchelt?

Insolvenzrecht allgemein

Insolvenz…

  … für viele Unternehmer klingt dieses Wort wie das Ende. Es ist verbunden mit Scham, Unsicherheit und der Angst vor dem Scheitern.  

Insolvenz…

  … kann für viele Unternehmer nicht das Ende, sondern die Chance zu einem wirtschaftlichen Neuanfang sein. Es kann Unternehmen die Möglichkeit bieten, sich neu aufzustellen. Frühzeitige Beratung und aktive Gestaltung sind entscheidend.

Quelle: pixabay.com
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Das Insolvenzrecht ist in Deutschland als eine gesetzlich geregelte Chance für einen Neuanfang konzipiert. Sowohl für das Unternehmen als auch für den Unternehmer persönlich gibt es Möglichkeiten für den wirtschaftlichen Neuanfang.  

Dieser kleine Leitfaden beleuchtet einige wichtige Aspekte des Insolvenzrechts, erklärt die Begriffe und beschreibt, was passiert, wenn Sie als Unternehmensinhaber Insolvenz anmelden müssen.

Wir zeigen Ihnen, dass der Weg aus der Krise mit den richtigen Informationen und professioneller Unterstützung planbar ist und in vielen Fällen zu einer akzeptablen Lösung für alle Beteiligten führt.    

Wenn ich als Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens Insolvenz anmelden muss – Was passiert dann alles?

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Was bedeutet eigentlich Insolvenz? Ein Leitfaden für Unternehmer und Privatpersonen
    • 1.1 Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung: Die Insolvenzgründe
    • 1.2 Die Ziele des Insolvenzverfahrens 
  • 2. Die wichtigsten Begriffe im Insolvenzrecht einfach erklärt 
  • 3. Was passiert, wenn ich als Inhaber eines Unternehmens Insolvenz anmelden muss?
    • 3.1 Die Pflicht zur rechtzeitigen Antragstellung
    • 3.2 Der Weg zum Insolvenzantrag
    • 3.3 Das vorläufige Insolvenzverfahren
    • 3.4 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    • 3.5 Die Rolle des Unternehmers während des Verfahrens 
  • 4. Privatinsolvenz in Deutschland: Voraussetzungen und Ablauf 
  • Fazit: Insolvenz ist die Chance auf einen finanziellen Neustart
 

1. Was bedeutet eigentlich Insolvenz?

Ein Leitfaden für Unternehmer und Privatpersonen

Das Wort Insolvenz leitet sich vom lateinischen „insolvens“ ab, was so viel wie „nicht zahlen könnend“ bedeutet.  

„Eine Insolvenz (lateinisch insolventia, zu solvere ‚zahlen‘) bezeichnet die Situation eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nicht erfüllen zu können.“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Insolvenz             

Im rechtlichen Sinne ist Insolvenz jedoch mehr als nur der Mangel an Zahlungsmitteln. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Zustand, bei dem ein Schuldner seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und/oder das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.  

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von Insolvenzverfahren, die sich nach dem Schuldner richten:  

  • Regelinsolvenz: Dieses Verfahren betrifft Unternehmen jeder Rechtsform (GmbH, AG, UG), eingetragene Kaufleute, Freiberufler und ehemals Selbstständige, die mehr als 20 Gläubiger haben oder bei denen Schulden aus Arbeitsverhältnissen bestehen.
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  • Verbraucherinsolvenz (Privatinsolvenz): Dieses vereinfachte Verfahren ist für Privatpersonen sowie für ehemals Selbstständige mit weniger als 20 Gläubigern und keinen Schulden aus Arbeitsverhältnissen vorgesehen.
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Die Zahl der Insolvenzanträge sowohl der Unternehmens- als auch der Verbraucherinsolvenzen stieg in den letzten Jahren deutlich an:

Quelle: Creditreform; https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/insolvenzen-in-deutschland-jahr-2023
 

1.1 Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Die Insolvenzgründe

Das Insolvenzverfahren kann nur eröffnet werden, wenn ein gesetzlich anerkannter Insolvenzgrund vorliegt.

  Für Unternehmen sind dies:  

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): 
  • Sie sind zahlungsunfähig, wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihre fälligen Zahlungen zu leisten. In der Regel wird dies angenommen, wenn Sie Ihre Zahlungen eingestellt haben.  
  • Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): 
  • Dieser Grund berechtigt Sie als Schuldner, präventiv einen Insolvenzantrag zu stellen, um eine spätere Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und eine Sanierung zu ermöglichen.  
  • Überschuldung (§ 19 InsO): 
  • Dieser Grund betrifft nur juristische Personen (z. B. GmbH, AG).  

    Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.  

Als Einzelunternehmer, Freiberufler oder ehemals Selbstständiger müssen Sie lediglich eine Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund nachweisen.

 

1.2 Die Ziele des Insolvenzverfahrens

Die Hauptziele des Insolvenzverfahrens sind:  

  • Befriedigung der Gläubiger: 
  • Das oberste Ziel des Insolvenzverfahren ist die bestmögliche und gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger aus dem vorhandenen Vermögen.  
  • Wirtschaftlicher Neuanfang: 
  • Für den redlichen Schuldner – insbesondere bei der Verbraucher-/Privatinsolvenz – bietet das Verfahren die Chance, nach einer bestimmten Zeit von den restlichen Verbindlichkeiten befreit zu werden ohne Vollstreckungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger in die Zukunft zu starten.  
  • Sanierung des Unternehmens: 
  • Das Insolvenzrecht sieht Instrumente vor, um ein Unternehmen zu retten, wenn es eine Chance auf Fortführung hat.  

Dies kann durch eine Eigenverwaltung oder einen Insolvenzplan geschehen.

 

2. Die wichtigsten Begriffe im Insolvenzrecht einfach erklärt

Um den Ablauf des Insolvenzverfahrens besser zu verstehen, sind hier die zentralen Begriffe, die Ihnen im Verfahren immer wieder begegnen werden:  

  • Insolvenzmasse:
  • Dies ist das gesamte pfändbare Vermögen, das der Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hat und während des Verfahrens erwirbt.

    Die Insolvenzmasse wird vom Insolvenzverwalter verwaltet und verwertet.  
  • Insolvenzverwalter:
  • Eine vom Gericht bestellte, unabhängige Person, die die Insolvenzmasse verwaltet, die Gläubigerforderungen prüft und das Verfahren abwickelt.

    Bei einer Regelinsolvenz tritt er an die Stelle des Geschäftsführers als Partei kraft Amtes.  
  • Insolvenzantrag:
  • Der schriftliche Antrag, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, ist an das zuständige Insolvenzgericht zustellen.    
  • Gläubigerversammlung:
  • Ein Termin vor dem zuständigen Amtsgericht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahren, in dem die Gläubiger wichtige Entscheidungen über das Verfahren treffen können, z. B. die Art der Verwertung oder eine mögliche Sanierung.  
  • Restschuldbefreiung:
  • Der Beschluss des Insolvenzgericht, dass die Restschuldbefreiung erteilt wird. Dies ist regelmäßig das Ziel des Insolvenzverfahrens der Verbraucher und in der Regelinsolvenz für natürliche Personen.  
  • Wohlverhaltensphase:
  • Der Zeitraum nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, in dem sich der Schuldner an bestimmte Obliegenheiten (z. B. Erwerbstätigkeit) halten muss, um die Restschuldbefreiung zu erlangen.
 

Was passiert, wenn ich als Inhaber eines Unternehmens Insolvenz anmelden muss?

Wenn Sie als Unternehmer feststellen, dass Ihr Unternehmen zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist, beginnt ein klar definierter Prozess. Es ist entscheidend, die Schritte zu kennen und fristgerecht zu handeln.

3.1 Die Pflicht zur rechtzeitigen Antragstellung

Für juristische Personen (GmbH, AG etc.) und Personengesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, besteht die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer klar definierten sehr kurzen Frist, einen Insolvenzantrag zu stellen.  

Die Verletzung dieser Pflicht kann eine strafrechtliche Konsequenz (Insolvenzverschleppung) und die persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach sich ziehen.  

Für Einzelunternehmer gibt es diese Pflicht nicht, aber die Antragstellung ist der einzige Weg zur Restschuldbefreiung.

3.2 Der Weg zum Insolvenzantrag

  1. Professionelle Beratung:
    Für das gerichtliche Insolvenzverfahren besteht keine Verpflichtung einer anwaltlichen Vertretung.
    Holen Sie sich aber frühzeitig rechtlichen Rat von einem Rechtsanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht oder einer Schuldnerberatungsstelle. Eine fundierte Beratung hilft Ihnen, die richtige Strategie zu finden und Fehler zu vermeiden.
  2. Zusammenstellung der Unterlagen:
    Bereiten Sie alle notwendigen Dokumente vor. Dazu gehören mindestens:
    • Eine Übersicht der Gläubiger und ihrer Forderungen.
    • Eine Aufstellung aller Vermögenswerte.
  3. Antragstellung:
    Der Antrag wird schriftlich beim zuständigen Amtsgericht, Insolvenzgericht gestellt. Hier können Sie auch bereits eine Eigenverwaltung beantragen, wenn Sie Ihr Unternehmen selbst sanieren möchten. Für dieses Verfahren sind besondere Vorschriften zu beachten und Unterlagen einzureichen.  Das Justizportal des Bundes und der Länder stellt die notwendigen Formulare zur Verfügung. Hier finden Sie den Link: https://justiz.de/service/formular/f_insolvenzen/index.php

3.3 Das vorläufige Insolvenzverfahren

Nach Eingang des Antrags prüft das Gericht die Zulässigkeit des Antrages auf der Basis der von Ihnen eingereichten Unterlagen. 

Ist der Antrag zulässig, prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen.  Dazu bestellt das Gericht regelmäßig einen Sachverständigen, de Sie weitere Auskünfte geben müssen.

In einigen Fällen ordnet das Gericht auf Anregung des Sachverständigen ein vorläufiges Insolvenzverfahren an und bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter. 

Dieser hat folgende Aufgaben:  

  • Sicherung der Insolvenzmasse:
  • Der Verwalter sichert das vorhandene Vermögen und verhindert, dass Gläubiger durch Einzelzwangsvollstreckung Vermögenswerte entziehen.  
  • Prüfung der Insolvenzgründe:
  • Er erstellt ein Gutachten über die finanzielle Lage des Unternehmens und gibt dem Gericht eine Empfehlung, ob das Verfahren eröffnet werden soll.  

In dieser Phase haben Sie als Unternehmer weiterhin bestimmte Rechte und Pflichten, wie zum Beispiel die Auskunftspflicht. Ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters dürfen Sie jedoch keine größeren Entscheidungen mehr treffen bzw. sind diese Entscheidungen nicht wirksam.

3.4 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Auf der Basis des Gutachtens des Sachverständigen entscheidet das Gericht, ob das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann und eröffnet ggfs. das Insolvenzverfahren.

  Die wichtigsten Konsequenzen sind:  

  • Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis:
  • Die Kontrolle über das gesamte Vermögen des Unternehmens geht vollständig auf den Insolvenzverwalter über. Er führt fortan das Geschäft.  
  • Gläubigergleichbehandlung:
  • Alle Vollstreckungsversuche einzelner Gläubiger enden. Alle Gläubiger können ihre Forderungen nun beim Insolvenzverwalter anmelden und werden am Ende aus dem Erlös der Verwertung der Insolvenzmasse anteilig befriedigt.
  • Entscheidung über die Zukunft:
  • Die Gläubigerversammlung entscheidet nach Vorschlag des Insolvenzverwalters, ob das Unternehmen fortgeführt und saniert oder liquidiert (aufgelöst) wird.

3.5 Die Rolle des Unternehmers während des Verfahrens

 

Auch wenn Sie die Kontrolle über das Unternehmen verloren haben, endet Ihre Verantwortung nicht.

  Im Gegenteil, Sie haben wichtige Obliegenheiten:  

  • Kooperationspflicht:
  • Sie müssen dem Insolvenzverwalter alle Informationen über die wirtschaftliche Lage, das Vermögen und die Geschäftsabläufe zur Verfügung stellen.  
  • Auskunftspflicht:
  • Sie sind verpflichtet, Fragen des Verwalters, des Gläubigerausschusses und des Gerichts wahrheitsgemäß zu beantworten.

4. Verbraucher-/Privatinsolvenz in Deutschland

Voraussetzungen und Ablauf

Obwohl Sie als Unternehmer möglicherweise die Regelinsolvenz durchlaufen müssen, ist das Konzept der Verbraucher-/Privatinsolvenz für viele Menschen von großer Bedeutung.  

Das Verfahren richtet sich an Privatpersonen, die sich von ihren Schulden befreien bzw. die Restschuldbefreiung erhalten möchten.

  Der Ablauf ist vereinfacht und umfasst drei Hauptschritte:  

  1. Außergerichtlicher Einigungsversuch:
    Bevor Sie den Insolvenzantrag stellen können, müssen Sie nachweisen, dass Sie versucht haben, sich außergerichtlich mit Ihren Gläubigern zu einigen. Dies geschieht in der Regel mithilfe einer staatlich anerkannten Schuldnerberatungsstelle oder eines Anwalts.
    Die Bundesländer veröffentlichen die anerkannten Schuldnerberatungsstellen. Hier finden Sie den Link zu den Beratungsstellen z.B. in Berlin und in Sachsen-Anhalt:
  2. Gerichtsverfahren und Wohlverhaltensphase:
    Scheitert der Einigungsversuch, kann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
    Das Gericht eröffnet das Verfahren, bestellt einen Insolvenzverwalter und nach der Verwertung des Vermögens einen Treuhänder in der sogenannten Wohlverhaltensphase.
  3. Restschuldbefreiung:
    Am Ende der Wohlverhaltensphase (aktuell drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens) erteilt das Gericht die Restschuldbefreiung.

Fazit:
Insolvenz ist die Chance auf einen finanziellen Neustart

Ein Insolvenzverfahren ist kein Schandfleck, sondern ein gesetzlich verankertes Instrument, um eine scheinbar ausweglose Situation zu bereinigen. 

Egal, ob es sich um eine Regel- oder Verbraucherinsolvenz handelt: 

Das Verfahren bietet eine klare Struktur, Schutz vor Gläubigern und, am wichtigsten, die Aussicht auf einen vollständigen wirtschaftlichen Neuanfang.

Quelle: pixabay.com

Der Schlüssel liegt darin, rechtzeitig zu handeln und sich nicht von der Angst lähmen zu lassen. 

Suchen Sie sich professionelle Unterstützung und nutzen Sie das Insolvenzrecht als die Chance, die es ist – die Möglichkeit, wieder auf wirtschaftlich gesunde Beine zu kommen und eine neue, gesunde finanzielle Zukunft aufzubauen.